Ein Virus namens Burnout

Von Andrea Bannert

Burnout

© Stauke - Fotolia

Abends um zehn fliegt die Computermaus mit Karacho an die Wand. Christian Schmidt*, Texter in einer Werbeagentur, platzt der Kragen. Der Anlass: ein Rechtschreibfehler in einer Präsentation - eigentlich eine Lappalie. Solche Überreaktionen sind typisch für ein Phänomen, das seit Jahren an Boden zu gewinnen scheint: Burnout - eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung, meist ausgelöst durch Überlastung im Beruf.

Dem 41-Jährigen mit dem hippen blonden Vollbart macht seine Arbeit schon lange keinen Spaß mehr. Nur sein Team hält ihn bei der Stange, das er nicht im Stich lassen will. „Stell‘ dich nicht so an, du bist doch kein Weichei“, sagt er sich immer wieder selbst, obwohl sein Körper längst Alarmzeichen sendet: Muskelkrämpfe, Verspannungen, Rückenschmerzen, jeden Abend Kopfweh.

Gestresstsein wird zur Pflicht

In seiner Firma ist Schmidt nicht der einzige, der sich ausgebrannt fühlt. Ein mysteriöses Virus scheint sich unaufhaltsam in der Werbeagentur auszubreiten: Immer mehr Kollegen sind gestresst und überfordert. Sie infizieren andere mit ihrer emotionalen Erschöpfung und ihrer reduzierten Leistungsfähigkeit.

Besonders bedenklich wird es, wenn Gestresstsein zur Pflicht wird: „In manchen Firmen entwickelt sich geradezu eine Jammerkultur“, sagt der Psychologe Professor Jörg Fengler gegenüber NetDoktor. Wer nach dem Urlaub freudestrahlend mit den Worten „Ich bin jetzt wieder total fit und freue mich auf die Arbeit“ zurückkommt, wird dann mit eisigem Schweigen gestraft. Ganz anders ist die Reaktion auf Kollegen, die schon in der ersten Arbeitswoche mit Grabesstimme vortragen, gefühlt nie im Urlaub gewesen zu sein. Sie ernten Mitleid und Unterstützung. „Ab einem gewissen Punkt war ich nur noch für Negatives empfänglich“, sagt Schmidt. „Auf diese Weise geraten häufig ganze Teams in den Abwärtssog“, bestätigt Fengler.

Dein Stress ist mein Stress

Ein Burnout-Virus, das beim Niesen die Kollegen infiziert, gibt es natürlich trotzdem nicht. Aber seelische Befindlichkeiten können durchaus von Mensch zu Mensch überspringen. Der Grund: Wir sind emphatische Wesen, die mitleiden und mitfühlen.

Stress beispielsweise, der ein wichtiger Faktor bei Burnout ist, ist tatsächlich in gewisser Weise ansteckend. Alleine das Beobachten stressiger Situationen lässt das Stresshormon Kortisol im Körper ansteigen. Das zeigt eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. In einem Stresstest mussten Probanden als vermeintliche Verhaltensanalysten beobachten, wie andere beim Vorstellungsgespräch oder beim Lösen schwieriger Kopfrechenaufgaben schwitzten. Das Ergebnis: 26 Prozent der Beobachter, die selbst keinerlei Stress ausgesetzt waren, zeigten einen deutlichen Anstieg von Kortisol.

„Der Stress unserer Mitmenschen, lässt uns nicht unberührt“, so Fengler. Gerade wenn eine Führungsperson Stress verbreite, gehe das nicht spurlos an den Mitarbeitern vorbei. Manche seien für eine solche Stressübertragung empfänglicher, andere blieben ruhiger.

Fehlende Pufferfunktion, Eskalation der Überforderung

Ein weiterer Grund, aus sich dem Burnout in einer Firma ausbreiten kann, ist leicht nachvollziehbar: Fallen in einem Team ein oder mehr Leute wegen Burnout aus, verstärkt sich die Belastung für die anderen. „Zunächst reagieren die Schwächeren mit einem Burnout, später brechen auch die Stabileren weg“, sagt Fengler, der dieses Phänomen in seiner Funktion als Firmencoach schon öfter miterlebt hat. Ähnliche Dynamiken können sich entwickeln, wenn im großen Stil Stellen gekürzt werden.

Psychisches Problem mit Coolnessfaktor

Dass man derzeit so häufig von Burnout hört, hat noch einen weiteren Grund. Burnout ist weniger schambesetzt als etwa Depressionen. „Burnout wird nicht als ein Zeichen von Schwäche gewertet, sondern eher als Hinweis auf einen zu hohen Einsatz “, erklärt Fengler. Eine Erkrankung mit Coolnessfaktor also. So mancher, der eigentlich an Depressionen leidet, hüllt sie in den gesellschaftsfähigen Mantel eines Burnout.

Jagd nach Anerkennung

Wie hoch das persönliche Burnoutrisiko ist, kann jeder selbst beeinflussen. Entscheidend ist die eigene Haltung. Gefährdet sind beispielsweise Menschen, die sehr perfektionistisch sind – und die nach Anerkennung von außen hungern. Das bestätigt auch Schmidt: „Als Kind bin ich für alles, was ich gut gemacht habe, belohnt worden. Dabei habe ich verlernt, mich selbst zu motivieren.“ Irgendwann arbeitete er nur noch dafür, Anerkennung zu bekommen. „Blieb sie aus, habe ich mich ständig gefragt: Gebe ich mein Bestes? Und dann noch mehr Gas gegeben.“ Ein Leben auf der Überholspur, das sich gerächt hat.

Inzwischen hat er gelernt, besser auf sich zu achten. Er hört auf seine innere Stimme, wenn sie zu ihm sagt „Hey Christian, du bist seit zwölf Stunden im Büro, Zeit nach Hause zu gehen.“ Dann steht er tatsächlich auf, fährt den Rechner runter und geht heim. Einfach so.

*Name von der Redaktion geändert

Quelle: www.netdoktor.de

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